Lebenslanges Wohnrecht bei Immobilienübertragung: So funktioniert Bewertung und Steuer

Lebenslanges Wohnrecht bei Immobilienübertragung: So funktioniert Bewertung und Steuer

Wenn Eltern ihre Immobilie an ihre Kinder übertragen, aber weiterhin darin wohnen wollen, ist ein lebenslanges Wohnrecht eine der häufigsten und sinnvollsten Lösungen. Es sichert den Eltern das Recht, das Haus oder die Wohnung bis zu ihrem Tod kostenfrei zu bewohnen - ohne Eigentümer zu bleiben. Gleichzeitig reduziert es die Steuerlast bei der Übertragung. Doch wie wird dieses Recht genau bewertet? Welche Steuern fallen an? Und was passiert, wenn der Berechtigte in Pflege muss?

Was ist ein lebenslanges Wohnrecht?

Ein lebenslanges Wohnrecht ist eine persönliche Dienstbarkeit, die im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 1090 und 1093 geregelt ist. Es gibt einer Person das Recht, eine Immobilie zu bewohnen - und nur das. Kein Recht auf Mieteinnahmen, keine Nutzung als Gewerberaum, keine Vermietung an Dritte. Es ist strikt auf die eigene Wohnnutzung beschränkt. Das Recht endet automatisch mit dem Tod des Berechtigten. Es ist weder vererbbar noch verkaufbar. Selbst wenn der Besitzer schwer krank wird oder in eine Pflegeeinrichtung zieht, bleibt das Recht bestehen - aber nur für ihn selbst. Niemand anders darf einziehen, nicht einmal ein Ehepartner oder Kind.

Um rechtssicher zu sein, muss das Wohnrecht notariell beurkundet und im Grundbuch, Abteilung II, eingetragen werden. Nur dann ist es auch gegen zukünftige Käufer des Hauses gültig. Wenn die Immobilie später verkauft wird, bleibt das Wohnrecht bestehen. Der neue Eigentümer muss den Bewohner weiterhin wohnen lassen - und darf ihn nicht einfach hinauswerfen.

Wie wird das Wohnrecht bewertet?

Der Wert des Wohnrechts ist entscheidend für die Steuerberechnung. Er wird nicht nach dem Marktwert der Immobilie berechnet, sondern nach dem Kapitalwert der zukünftigen Miete, die der Berechtigte spart. Das Statistische Bundesamt stellt dafür Sterbetafeln zur Verfügung, die die durchschnittliche Lebenserwartung nach Alter und Geschlecht angeben.

Beispiel: Ein 70-jähriger Mann lebt in einer Wohnung mit einer ortsüblichen Kaltmiete von 750 Euro pro Monat. Das sind 9.000 Euro pro Jahr. Der Kapitalwertfaktor für einen 70-jährigen Mann beträgt laut aktueller Sterbetafel 10,397. Der Wert des Wohnrechts ergibt sich dann aus:

9.000 Euro × 10,397 = 93.573 Euro.

Bei einer Frau im gleichen Alter liegt der Faktor höher - bei 10,81 - weil Frauen statistisch länger leben. Das bedeutet: Ein Wohnrecht für eine Frau ist steuerlich etwas wertvoller als für einen Mann. Bei einem 80-Jährigen sinkt der Faktor auf nur noch 6,03. Das Recht wird also mit zunehmendem Alter günstiger - weil die erwartete Nutzungsdauer kürzer ist.

Die Berechnung ist nicht kompliziert - aber sie ist entscheidend. Wer hier falsch rechnet, riskiert eine Nachzahlung der Steuer oder eine unnötig hohe Belastung.

Wie wirkt sich das Wohnrecht auf die Steuer aus?

Wenn Eltern ihre Immobilie an ihre Kinder verschenken, fällt Schenkungssteuer an. Der Wert der Immobilie wird als Gesamtwert angesetzt - aber der Wert des Wohnrechts wird davon abgezogen. Das reduziert den steuerpflichtigen Betrag.

Beispiel: Eine Immobilie ist 500.000 Euro wert. Das Wohnrecht ist 93.573 Euro wert. Der steuerpflichtige Wert der Schenkung beträgt dann:

500.000 - 93.573 = 406.427 Euro.

Bei Kindern in Steuerklasse I (gerade Linie) gilt ein Freibetrag von 400.000 Euro. In diesem Fall bleibt nur 6.427 Euro steuerpflichtig. Bei einem Steuersatz von 20 % ergibt das eine Steuer von knapp 1.285 Euro - statt über 20.000 Euro, wenn das Wohnrecht nicht berücksichtigt worden wäre.

Das ist keine theoretische Rechnung. Tausende Familien in Deutschland nutzen diese Regelung jedes Jahr. Laut einer Umfrage von Deutsche Teilkauf (2023) geben 78 % der Befragten die Steuerersparnis als Hauptgrund für die Einrichtung eines Wohnrechts an.

Eine Waage zeigt den Wert einer Immobilie und das abgezogene Wohnrecht als steuerliche Reduzierung.

Wohnrecht vs. Nießbrauch - was ist besser?

Viele verwechseln das Wohnrecht mit dem Nießbrauch. Beides sind Nutzungsrechte - aber sie unterscheiden sich grundlegend.

Das Wohnrecht erlaubt nur das Wohnen. Der Inhaber darf nicht einmal die Garage nutzen, wenn sie nicht zum Wohnbereich gehört. Der Nießbrauch hingegen gibt das Recht, die Immobilie ganz zu nutzen - inklusive Mieteinnahmen, Gewerbenutzung, Vermietung an Dritte. Wer eine Ferienwohnung vermieten will, braucht den Nießbrauch - nicht das Wohnrecht.

Steuerlich ist das entscheidend: Der Nießbrauch wird höher bewertet, weil er mehr Nutzen bietet. Ein Nießbrauch für eine Immobilie mit 1.000 Euro Miete pro Monat kann leicht 200.000 Euro oder mehr wert sein - je nach Alter. Das bedeutet: Die Steuerersparnis ist größer, aber auch der abgezogene Wert ist höher. In der Praxis nutzen nur 28 % der Familien den Nießbrauch - weil er komplizierter, teurer und weniger flexibel ist.

Das Wohnrecht ist die einfachere, sicherere und günstigere Option für die meisten Familien, die ein Haus behalten wollen, aber es an die nächste Generation übertragen.

Was passiert, wenn der Berechtigte in Pflege muss?

Das größte Problem bei lebenslangen Wohnrechten ist die Unflexibilität. Wenn der Berechtigte altersbedingt oder durch Krankheit nicht mehr in der Wohnung leben kann, bleibt das Recht bestehen - aber er kann es nicht verkaufen, nicht vererben, nicht an ein Pflegeheim übertragen.

Die Immobilie bleibt besetzt - nur eben nicht vom Besitzer. Der neue Eigentümer muss die Wohnung leer lassen - oder sie wird ungenutzt. Das ist ein großer Nachteil. Laut Mietrecht Siegen (2023) entstehen in 15 % der Fälle Konflikte, weil die Familie nicht vorher über diese Situation gesprochen hat.

Einige Experten, wie Dr. Timmer, schlagen vor, das Wohnrecht für Pflegebedürftige flexibler zu gestalten - etwa durch eine Ausnahme, die es erlaubt, das Recht an ein Pflegepersonal zu übertragen, wenn der ursprüngliche Berechtigte nicht mehr in der Lage ist, dort zu wohnen. Bislang ist das nicht möglich. Wer das Risiko minimieren will, sollte im Vertrag klare Regelungen treffen: Wer zahlt für Reparaturen? Wer trägt die Kosten für die Heizung? Wer ist verantwortlich für den Winterdienst?

Ein weiterer Punkt: Das Wohnrecht regelt nicht, wer für Instandhaltung und Modernisierung aufkommt. 22 % der Streitigkeiten zwischen Eigentümern und Wohnrechtsinhabern entstehen genau hier. Wer die Küche erneuert - der Eigentümer oder der Bewohner? Wer bezahlt den neuen Heizkessel? Das muss im Vertrag stehen. Sonst wird es teuer.

Ein leeres, aber gepflegtes Wohnzimmer mit einem Rollstuhl am Fenster, Symbol für das lebenslange Wohnrecht.

Praktische Tipps für die Umsetzung

  • Notar ist Pflicht: Nur eine notarielle Beurkundung macht das Wohnrecht rechtssicher. Keine einfache Privatvereinbarung reicht.
  • Grundbucheintrag ist essenziell: Ohne Eintrag im Grundbuch kann der neue Eigentümer das Wohnrecht ignorieren - und Sie verlieren Ihr Recht.
  • Alter ist entscheidend: Je älter Sie beim Abschluss sind, desto günstiger ist das Wohnrecht - aber auch desto kürzer die Nutzungsdauer.
  • Steuerberater einbinden: Die Bewertung ist komplex. Lassen Sie den Wert von einem Immobilienexperten prüfen - nicht nur vom Notar.
  • Vertrag genau formulieren: Wer zahlt für Heizung, Strom, Instandhaltung? Wer darf Gäste einladen? Was passiert bei Schäden? Alles muss schriftlich festgehalten werden.

Ein lebenslanges Wohnrecht ist kein Luxus - es ist eine vernünftige Vorsorge. Es schützt das Vermögen, sichert das Zuhause und reduziert die Steuerlast - alles in einem. Aber nur, wenn es richtig gemacht wird.

Was ändert sich 2025?

Die Bundesregierung prüft aktuell eine Anpassung der Bewertungsmethodik. Ein Diskussionspapier vom März 2024 des Bundesministeriums der Justiz deutet darauf hin, dass die Kapitalwertfaktoren für ältere Menschen in Zukunft noch günstiger werden könnten - um die Lebenssituation von Senioren besser abzubilden. Bislang gelten die Sterbetafeln aus 2023. Experten erwarten, dass sich die Nutzung des Wohnrechts bis 2027 jährlich um 12 % erhöht. Der Markt für solche Vereinbarungen lag 2023 bei 1,2 Milliarden Euro - und soll bis 2027 auf 1,8 Milliarden Euro wachsen.

Das zeigt: Dieses Instrument ist nicht nur eine rechtliche Kuriosität - es ist ein zentrales Werkzeug der Familienvermögensnachfolge in Deutschland.

Kann ich ein lebenslanges Wohnrecht später aufheben?

Nein. Ein lebenslanges Wohnrecht ist unwiderruflich. Es kann nur mit Einverständnis des Eigentümers und des Berechtigten aufgehoben werden - etwa wenn beide Parteien eine andere Lösung finden, wie eine einmalige Abfindung. Das muss notariell beurkundet werden. Einseitig kann es nicht gekündigt werden - weder vom Eigentümer noch vom Bewohner.

Kann ich das Wohnrecht an mein Kind vererben?

Nein. Das Wohnrecht ist streng persönlich und erlischt mit dem Tod des Berechtigten. Es wird nicht auf Erben übertragen. Selbst wenn Ihr Kind in Ihrer Wohnung lebt, hat es kein Recht, dort weiterzuziehen - es sei denn, es erhält ein neues Wohnrecht vom neuen Eigentümer.

Wird das Wohnrecht auch bei Erbschaften berücksichtigt?

Ja. Ob das Wohnrecht durch Schenkung oder Erbschaft eingeräumt wird - es wird immer als Vermögenswert angesehen. Der Wert wird vom Gesamtvermögen abgezogen, um die Erbschaftssteuer zu berechnen. Die Regelungen sind identisch mit denen bei Schenkungen.

Was passiert, wenn die Immobilie abgerissen wird?

Wenn die Immobilie unbewohnbar wird - etwa durch Abriss oder schweren Schaden - erlischt das Wohnrecht automatisch. Der Berechtigte hat dann keinen Anspruch auf Ersatzwohnraum. Es sei denn, im Vertrag wurde eine Ersatzwohnung vereinbart. Das ist selten, aber möglich - und sollte im Vorfeld geklärt werden.

Ist ein lebenslanges Wohnrecht auch für Nichtverwandte möglich?

Ja. Es ist nicht nur für Kinder oder Eltern erlaubt. Auch Lebenspartner, Freunde oder Pflegekräfte können ein Wohnrecht erhalten. Allerdings gilt bei Nichtverwandten kein Freibetrag. Die Schenkungssteuer fällt voll an - und die Bewertung ist gleich. Es ist also steuerlich ungünstiger, aber rechtlich möglich.

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