Beim Immobilienkauf geht es nicht nur um den Preis, den man zahlt, sondern um das, was man nicht sieht. Viele Käufer denken, dass ein Besichtigungstermin und ein Blick in die Unterlagen ausreichen. Doch das ist ein gefährlicher Irrtum. In Deutschland werden jährlich Tausende Immobilientransaktionen abgeschlossen - und jedes Jahr tauchen neue Fälle auf, in denen Käufer nach dem Kauf mit unerwarteten Sanierungskosten, versteckten Rechtsstreitigkeiten oder steuerlichen Nachforderungen konfrontiert werden. Die Lösung? Eine professionelle Due Diligence.
Was ist Due Diligence wirklich?
Due Diligence ist kein Luxus, sondern eine systematische Prüfung, die vor dem Kauf einer Immobilie durchgeführt wird. Sie deckt rechtliche, technische, steuerliche und wirtschaftliche Risiken auf, die der Verkäufer nicht unbedingt offenlegt. Der Begriff kommt aus dem englischen Recht, aber in Deutschland ist er seit den 1990er Jahren Standard - besonders bei Gewerbeimmobilien. Mittlerweile gilt er auch für größere Privatkaufobjekte, besonders ab einem Wert von 500.000 Euro. Laut einer Studie von Roedl & Partner (2023) wird bei Transaktionen über 1 Million Euro in 98 % der Fälle eine Due Diligence durchgeführt. Bei Wohnimmobilien unter 500.000 Euro liegt die Quote dagegen nur bei 32 % - und genau hier liegen die größten Gefahren.Warum? Weil der Verkäufer nicht verpflichtet ist, alle Mängel zu verraten. Er muss nur auf Fragen antworten - und wenn du nicht fragst, weißt du nichts. Die Due Diligence sorgt dafür, dass du nicht auf das Vertrauen in den Verkäufer angewiesen bist. Sie gibt dir die Fakten - und die Macht, einen fairen Preis zu verhandeln oder den Kauf abzusagen.
Die drei Säulen der Immobilien-Due-Diligence
Eine vollständige Due Diligence besteht aus drei zentralen Bereichen: rechtliche, technische und steuerliche Prüfung. Jeder Bereich hat seine eigenen Fallstricke.1. Rechtliche Due Diligence: Was steht wirklich im Grundbuch?
Der erste Schritt: Das Grundbuch prüfen. Nicht nur, wer der Eigentümer ist, sondern was alles darauf lastet. Ein einfacher Blick auf den Grundbucheintrag reicht nicht. Du musst wissen:- Gibt es Erbbaurechte, die den Wert der Immobilie langfristig mindern?
- Bestehen Dienstbarkeiten - etwa ein Wegerecht für Nachbarn oder eine Leitungsverlegung durch dein Grundstück?
- Gibt es Vorkaufsrechte von Gemeinden, Mieter oder anderen Dritten?
- Wie hoch sind die Grundschulden? Wer hat sie angemeldet? Ist die Finanzierung wirklich sicher?
Dazu kommen Mietverträge. Wer wohnt da? Wie lange läuft der Vertrag? Ist die Mietsicherheit hinterlegt? Oft werden Mietverträge einfach übernommen - doch wenn der Mieter nicht zahlt oder der Vertrag ungewöhnlich günstig ist, wird das zum Problem. Und was ist mit Versicherungen? Viele Käufer merken erst nach dem Kauf, dass die Gebäudeversicherung abgelaufen ist oder die Summe nicht mehr ausreicht.
Ein Fall aus Leipzig: Ein Investor kaufte ein Mehrfamilienhaus, ohne die Mietverträge genau zu prüfen. Ein Mieter hatte einen 15-jährigen Vertrag mit festem Mietpreis - und der lag 40 % unter Marktpreis. Nach dem Kauf konnte er den Mietpreis nicht erhöhen. Die Rendite sank von 5,8 % auf 3,1 %. Die Due Diligence hätte das erkannt - und den Kaufpreis entsprechend reduziert.
2. Technische Due Diligence: Was ist wirklich in den Wänden?
Ein Blick in die Küche oder das Bad reicht nicht. Eine technische Prüfung ist eine umfassende Inspektion des gesamten Gebäudes - von der Fundamentplatte bis zum Dachstuhl. Ein qualifizierter Sachverständiger prüft:- Den Zustand der Fassade und der Dachabdichtung
- Die Heizungs- und Lüftungsanlagen - sind sie noch betriebsfähig oder veraltet?
- Die Elektroinstallation - gibt es noch Sicherungskästen aus den 70ern?
- Die Rohrleitungen - ist das Abwasserrohr aus Blei oder Asbestzement?
- Ob Schimmelpilz, Feuchteschäden oder Setzungsrisse vorhanden sind
Und das Wichtigste: Asbest. In Gebäuden, die vor 1993 gebaut wurden, ist Asbest in vielen Materialien enthalten - Dachplatten, Bodenbeläge, Dämmungen. Es ist nicht immer gefährlich - aber wenn es beschädigt ist oder entfernt werden muss, kostet das schnell 20.000 Euro oder mehr. Ein Investor aus Dresden entdeckte durch eine technische Due Diligence verstecktes Asbest in den Bodenplatten eines Bürogebäudes. Die Sanierungskosten wurden mit 180.000 Euro kalkuliert. Der Kaufpreis wurde um 12 % reduziert - und der Investor blieb auf den Kosten nicht sitzen.
Ohne diese Prüfung bist du blind. Ein Haus kann von außen wie ein Traum aussehen - innen aber ein Sanierungsfall sein.
3. Steuerliche Due Diligence: Wer zahlt was nach dem Kauf?
Die steuerliche Prüfung ist oft der vergessene Teil - aber sie kann dich teuer zu stehen kommen. Es gibt zwei Wege, eine Immobilie zu kaufen: als Asset-Deal oder als Share-Deal.- Beim Asset-Deal kaufst du die Immobilie direkt. Dann übernimmst du nur die laufenden Steuern - Gewerbesteuer, Umsatzsteuer bei Vermietung, Grundsteuer.
- Beim Share-Deal kaufst du die Anteile an der Gesellschaft, die die Immobilie hält. Dann übernimmst du alle steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft - auch alte, versteckte Schulden, unerledigte Steuernachzahlungen oder sogar Strafzahlungen.
Ein Fall aus Berlin: Ein Käufer dachte, er kaufe nur eine Wohnung in einer GmbH. Er prüfte nicht, ob die GmbH schon mal wegen Steuerhinterziehung untersucht worden war. Nach dem Kauf kam die Finanzbehörde mit einer Nachforderung von 68.000 Euro - für Steuern, die 2018 nicht gezahlt wurden. Der Käufer war haftbar - weil er keinen steuerlichen Due Diligence durchgeführt hatte.
Ein guter Steuerberater prüft:
- Die letzten drei Steuerbescheide
- Ob die GmbH jemals eine Umsatzsteuererklärung versäumt hat
- Ob es offene Gewerbesteuern gibt
- Ob es Risiken bei der Erbschafts- oder Schenkungsteuer gibt
Ohne diese Prüfung läufst du Gefahr, eine Immobilie zu kaufen - und gleichzeitig eine Steuerschuld.
Wie läuft eine Due Diligence ab?
Die Prüfung läuft in vier Schritten ab:- Vorvertrag: Du schließt einen Vorvertrag mit einer Prüfungsfrist von 4-8 Wochen. In dieser Zeit hast du Zugang zum virtuellen Datenraum.
- Datenraum: Der Verkäufer lädt alle relevanten Unterlagen hoch: Grundbuchauszug, Mietverträge, Baupläne, Versicherungsverträge, Sanierungsprotokolle, Steuerbescheide.
- Prüfung: Ein Team aus Anwalt, Sachverständigem und Steuerberater prüft die Unterlagen - und macht eine Vor-Ort-Inspektion.
- Ergebnis: Du erhältst einen detaillierten Bericht mit Risikoliste, Sanierungskosten und Empfehlungen.
Die Kosten liegen zwischen 0,5 % und 2 % des Kaufpreises. Bei einer Immobilie für 600.000 Euro sind das 3.000 bis 12.000 Euro. Klingt viel? Aber wenn du durch eine unentdeckte Asbestbelastung 150.000 Euro an Sanierungskosten verlierst, ist das ein kluger Kauf.
Was passiert, wenn du keine Due Diligence machst?
Die Folgen sind nicht theoretisch. Ein Fall aus Leipzig: Ein Käufer kaufte eine Eigentumswohnung für 350.000 Euro. Im Datenraum stand ein Protokoll der Eigentümerversammlung - mit einer geplanten Dachsanierung und einer Sonderumlage von 85.000 Euro. Aber niemand hat darauf hingewiesen. Der Käufer las es nicht - und unterschrieb. Drei Monate später kam die Rechnung. Er musste zahlen - und hatte keine Möglichkeit, den Kaufpreis zu verhandeln.Der Bundesgerichtshof hat 2023 klargestellt: Der Verkäufer muss nicht alles sagen - aber er darf nicht einfach Unterlagen in einen Datenraum hochladen und dann sagen: „Habt ihr doch gesehen.“ Wenn ein Dokument ein klares Risiko enthält - und es nicht kommentiert wird - kann das als Täuschung gewertet werden. Aber: Du musst es auch prüfen. Der BGH sagt: „Der Käufer hat eine Aufklärungspflicht.“
Das heißt: Wenn du nichts prüfst, bist du selbst schuld.
Wann lohnt sich eine Due Diligence nicht?
Sie lohnt sich nicht bei kleinen Objekten unter 200.000 Euro - wenn du eine Ein-Zimmer-Wohnung kaufst, die du selbst bewohnst und die kein Mietvertrag hat. Dann ist die Prüfung oft teurer als das Risiko. Aber selbst hier: Wenn du eine alte Immobilie kaufst, die nach 1970 gebaut wurde, lohnt sich eine einfache technische Prüfung. Ein Gutachter kostet 500-800 Euro - und kann dir sagen, ob die Heizung noch 10 Jahre hält oder ob das Dach undicht ist.Bei allem, was größer ist - besonders bei Mietobjekten, Gewerbeimmobilien oder Häusern über 500.000 Euro - ist eine professionelle Due Diligence nicht optional. Sie ist die Versicherung, dass du nicht den größten Fehler deines Lebens machst.
Was du jetzt tun kannst
Du planst einen Immobilienkauf? Dann:- Frage den Verkäufer: „Wird eine Due Diligence durchgeführt?“
- Wenn nein: Bestelle sie selbst - vor dem Kaufvertrag.
- Wähle ein Team: Ein Anwalt mit Immobilienrecht, ein Sachverständiger, ein Steuerberater.
- Verlange einen schriftlichen Bericht mit konkreten Risiken und Kosten.
- Setze die Ergebnisse in den Kaufvertrag ein: Garantien, Preisanpassungen, Freistellungen.
Ein guter Anwalt wird dir sagen: „Wenn die Due Diligence etwas findet, ist das gut - dann wissen wir, was wir verhandeln können.“
Die Immobilie ist dein größter Vermögenswert. Sie sollte nicht auf Vertrauen, sondern auf Fakten basieren.
Ist eine Due Diligence beim Kauf einer Eigentumswohnung notwendig?
Ja - besonders wenn die Wohnung in einem älteren Gebäude liegt, Mietverträge vorhanden sind oder du sie als Investition siehst. Selbst bei 200.000 Euro lohnt sich eine grundlegende Prüfung des Grundbuchs und der Hausgeldabrechnungen. Sonderumlagen oder laufende Sanierungsprojekte können dich schnell 30.000-80.000 Euro kosten - und die findest du nur mit einer strukturierten Prüfung.
Kann ich die Due Diligence selbst durchführen?
Nein - zumindest nicht vollständig. Du kannst Grundbuchauszüge anfordern und Mietverträge lesen. Aber du kannst nicht beurteilen, ob ein Dachstuhl noch tragfähig ist, ob eine Heizungsanlage den aktuellen Energiegesetzen entspricht oder ob ein Steuerbescheid rechtlich korrekt ist. Dafür brauchst du Fachleute: einen Immobilienanwalt, einen Sachverständigen und einen Steuerberater. Wer das selbst versucht, läuft Gefahr, wichtige Risiken zu übersehen.
Was passiert, wenn ich nach der Due Diligence den Kauf absage?
Wenn du im Vorvertrag eine Prüfungsfrist vereinbart hast, kannst du ohne Angabe von Gründen vom Kauf zurücktreten - und deine Anzahlung zurückerhalten. Das ist der Kern der Due Diligence: Sie gibt dir die Freiheit, einen Fehler zu vermeiden. Viele Käufer nutzen das - besonders wenn unerwartete Sanierungskosten oder rechtliche Probleme auftauchen.
Wie lange dauert eine Due Diligence?
Bei einfachen Wohnimmobilien dauert sie 3-4 Wochen. Bei größeren Objekten, Gewerbeimmobilien oder Mehrfamilienhäusern mit komplexen Mietverträgen und technischen Herausforderungen kann sie bis zu 8 Wochen dauern. Wichtig: Die Frist muss im Vorvertrag festgelegt werden - sonst läufst du in Zeitdruck und riskierst, die Prüfung nicht vollständig abzuschließen.
Was ist ein virtueller Datenraum?
Ein virtueller Datenraum ist eine sichere Online-Plattform, in der der Verkäufer alle Unterlagen zur Immobilie hochlädt - Grundbuch, Mietverträge, Baupläne, Versicherungen, Steuerbescheide. Der Käufer und sein Prüfungsteam können dort Zugriff bekommen - ohne physische Dokumente zu sammeln. Bei Transaktionen über 250.000 Euro ist er Standard. Er sorgt für Transparenz und dokumentiert, welche Unterlagen wann verfügbar waren - wichtig für spätere Rechtsstreitigkeiten.