Was passiert, wenn du eine Immobilie im Ausland erbst?
Stell dir vor, deine Eltern haben ein Haus in Spanien gekauft, um dort in den Ruhestand zu gehen. Nach ihrem Tod erbst du das Haus - doch plötzlich bekommst du Post vom Finanzamt. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Spanien sollst du Steuern zahlen. Und das, obwohl du nie dort gelebt hast. Das ist kein Einzelfall. Tausende Deutsche erben jedes Jahr Immobilien im Ausland - in Spanien, Italien, Frankreich oder sogar in den USA. Doch die Regeln sind kompliziert, und viele wissen nicht, was auf sie zukommt.
Die deutsche Erbschaftsteuer gilt für das Weltvermögen des Erblassers. Das bedeutet: Egal, ob die Immobilie in Leipzig, Mallorca oder Rom liegt - wenn du als Erbe in Deutschland wohnst, oder der Erblasser zuletzt hier lebte, musst du in Deutschland Erbschaftsteuer zahlen. Im Jahr 2022 wurden allein 1,54 Milliarden Euro aus Auslandsimmobilien eingenommen - das sind fast 12 % der gesamten Erbschaftssteuer. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In vielen Ländern musst du zusätzlich Steuern zahlen. Und das kann doppelt wehtun.
Wie wird eine ausländische Immobilie in Deutschland bewertet?
Die deutsche Steuer wird nicht nach dem tatsächlichen Verkaufspreis berechnet, sondern nach dem sogenannten gemeinen Wert. Das ist der Wert, den ein unabhängiger Gutachter für fair hält - nicht der Preis, den jemand gerade zahlen würde, sondern der durchschnittliche Marktwert. Doch hier kommt das Problem: In vielen Ländern gibt es keine klaren Marktdaten, oder die offiziellen Werte stimmen nicht mit dem echten Preis überein.
In Spanien zum Beispiel wird oft der Catastro-Wert verwendet - ein steuerlicher Wert, der durchschnittlich 30 bis 40 % unter dem tatsächlichen Marktwert liegt. Wenn du diesen Wert angibst, sagt das Finanzamt: „Das ist zu niedrig.“ Dann verlangen sie ein deutsches Gutachten. Ein solches Gutachten kostet zwischen 800 und 2.500 Euro. In Italien ist es noch schwieriger. Dort gibt es keine einheitliche Bewertung. Manche Gemeinden nutzen alte Werte aus den 1980er Jahren. Ein Erbe aus Frankfurt berichtete, dass sein Finanzamt ein Gutachten verlangte, das 1.200 Euro kostete - nur um den Wert der italienischen Immobilie zu klären.
Die Regel ist einfach: Du musst den Wert so genau wie möglich nachweisen. Das geht mit:
- Einem deutschen Sachverständigengutachten
- Einer Bescheinigung eines ausländischen Notars
- Oder eigenen Angaben mit Belegen (Verkaufsangebote, Vergleichsobjekte, Mietpreise)
Aber: Das Finanzamt muss die ausländische Bescheinigung nicht akzeptieren. Nur 57 % der Fälle werden ohne weiteres Gutachten akzeptiert. Du musst also bereit sein, mehr zu beweisen, als du denkst.
Welche Länder haben ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland?
Ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ist deine Rettung. Es verhindert, dass du für dieselbe Immobilie in zwei Ländern Steuern zahlen musst. Deutschland hat solche Abkommen nur mit sechs Ländern:
- Frankreich (seit 1961)
- Dänemark (seit 1970)
- Griechenland (seit 1972)
- Schweden (seit 1972)
- Schweiz (seit 1997)
- USA (seit 1956)
Das ist wenig. Besonders betroffen sind Erben von Immobilien in Spanien, Italien, Portugal oder Österreich - dort gibt es kein DBA. In diesen Ländern musst du in beiden Staaten zahlen. Doch es gibt eine Ausnahme: Du kannst die ausländische Steuer auf die deutsche Steuer anrechnen. Das heißt: Wenn du in Spanien 20.000 Euro Erbschaftssteuer gezahlt hast, kannst du diesen Betrag von deiner deutschen Steuerschuld abziehen. Aber: Das musst du beantragen. Es passiert nicht automatisch. Viele Erben verpassen diese Frist - und zahlen doppelt, obwohl sie es nicht müssten.
Ein Beispiel: Ein Erbe in Leipzig erbte eine Wohnung in Zürich. In der Schweiz wurden 18.000 Euro Steuern fällig. In Deutschland wäre er mit 53.000 Euro belastet worden. Nach Anrechnung zahlte er nur noch 35.000 Euro - also 18.000 Euro weniger. Das ist der Unterschied zwischen einer Belastung und einer Katastrophe.
Wie hoch sind die Freibeträge und Steuersätze in Deutschland?
Die deutsche Erbschaftsteuer hängt von zwei Dingen ab: Wie nah bist du dem Verstorbenen? Und wie viel ist das Vermögen wert?
Die Freibeträge (das ist der Betrag, den du steuerfrei erbst) sind:
- Ehegatte / Lebenspartner: 500.000 Euro
- Kinder: 400.000 Euro
- Enkel: 200.000 Euro
- Eltern: 400.000 Euro
- Geschwister: 100.000 Euro
- Andere: 20.000 Euro
Über diesen Betrag hinaus geht es in die Steuerprogression. Die Sätze liegen zwischen 7 % und 50 %. Hier ein Beispiel:
Ein Kind erbt eine Immobilie in Italien mit einem Wert von 600.000 Euro. Der Freibetrag von 400.000 Euro wird abgezogen. Der verbleibende steuerbare Wert: 200.000 Euro. Der Steuersatz für Kinder liegt bei 15 %. Also: 30.000 Euro deutsche Erbschaftssteuer. Wenn das Haus in Italien bereits 25.000 Euro Steuern abgezogen hat, zahlt das Kind nur noch 5.000 Euro in Deutschland - vorausgesetzt, der Antrag auf Anrechnung wurde rechtzeitig gestellt.
Bei entfernten Verwandten oder Nichtverwandten (z. B. Freund oder Nachbar) kann die Steuer bis zu 50 % betragen. Das bedeutet: Eine Immobilie im Wert von 1 Million Euro könnte 500.000 Euro Steuern kosten - wenn kein Freibetrag und kein DBA hilft.
Warum ist das Erbrecht im Ausland so anders?
Es geht nicht nur um Steuern. Es geht auch um das Erbrecht. Seit 2015 gilt in der EU die Europäische Erbrechtsverordnung. Sie sagt: Wer zuletzt gewohnt hat, bestimmt, welches Recht gilt. Wenn dein Vater 20 Jahre in Spanien lebte, dann gilt spanisches Erbrecht - auch wenn er deutsche Staatsbürger war. Das ist wichtig, denn in Spanien gibt es Pflichtteile. Das heißt: Deine Geschwister oder Kinder haben automatisch Anspruch auf einen Teil des Vermögens - selbst wenn dein Vater im Testament alles dir hinterlassen hat.
Prof. Dr. Eva-Maria Risse von der Universität zu Köln sagt: „In 45 % der Fälle führt die Unkenntnis der ausländischen Erbrechtsregeln dazu, dass ein Testament unwirksam wird.“ Ein Erbe in Berlin dachte, er erbt ein Haus in Frankreich, weil sein Vater es ihm im Testament hinterlassen hatte. Doch französisches Recht gibt den Kindern automatisch 50 % des Vermögens. Der Erbe bekam nur die Hälfte - und musste noch Steuern zahlen. Der Rest ging an die anderen Kinder, die gar nicht wussten, dass sie was bekommen hatten.
Und das ist nicht alles. In Frankreich, Belgien und den USA gilt das Lagerecht: Die Immobilie unterliegt immer dem Recht des Landes, in dem sie steht - egal, wo der Erblasser lebte. Das bedeutet: Selbst wenn dein Vater in Deutschland starb, aber eine Wohnung in Paris besaß, gilt französisches Erbrecht. Und das ist komplizierter als das deutsche.
Was musst du tun, wenn du eine Auslandsimmobilie erbst?
Wenn du eine Immobilie im Ausland erbst, hast du drei Monate Zeit, um die Erbschaftsteuererklärung beim Finanzamt einzureichen. Das ist kurz. Und die Frist läuft nicht erst, wenn du die Urkunde bekommst - sie läuft ab dem Tag, an dem du vom Tod erfahren hast.
Du brauchst:
- Die Sterbeurkunde
- Das Testament (oder Erbvertrag)
- Einen Nachweis des Immobilienwerts
- Alle Zahlungsbelege für ausländische Steuern
- Den Antrag auf Anrechnung der ausländischen Steuer (Formular: „Antrag auf Anrechnung der ausländischen Erbschaftssteuer“)
Wenn du nicht weißt, wie du das machst, hol dir Hilfe. Ein Steuerberater mit Erfahrung im internationalen Erbrecht kostet zwischen 800 und 3.000 Euro. Aber das ist günstiger als eine falsche Erklärung. Die Finanzämter prüfen Auslandsfälle besonders genau. Wenn du einen Fehler machst, kommt es zu Nachforderungen - mit Zinsen von 0,5 % pro Monat. Das kann schnell tausende Euro ausmachen.
Ein weiterer Tipp: Lass dich nicht von ausländischen Notaren oder Maklern beraten, die nur ihr eigenes Land kennen. Sie wissen oft nicht, wie die deutsche Steuer funktioniert. Suche einen deutschen Fachanwalt für Erbrecht - und besser noch, einen mit Zertifizierung im internationalen Erbrecht. In Deutschland gibt es 1.243 Fachanwälte für Erbrecht - aber nur 187 davon haben die zusätzliche Qualifikation für Auslandsfälle.
Was ändert sich in Zukunft?
Die Lage könnte sich verbessern. Deutschland verhandelt derzeit mit Italien und Spanien über neue Doppelbesteuerungsabkommen. Die ersten Gespräche fanden im Februar 2024 statt. Experten rechnen damit, dass bis 2026 mindestens drei neue Abkommen in Kraft treten.
Auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2023 hilft. Er entschied: Der 10 %ige Abschlag für vermietete Wohnungen - den Deutschland schon lange kennt - gilt auch für Immobilien in Drittländern. Das bedeutet: Wenn du ein Haus in Portugal erbst, das du vermietest, kannst du den Wert um 10 % reduzieren. Das spart Geld - und das ist neu.
Langfristig arbeitet die EU an einer Harmonisierung der Erbschaftssteuer. Aber das wird Jahre dauern. Bis 2030 ist nichts zu erwarten. Bis dahin bleibt: Wer eine Immobilie im Ausland erbt, muss sich selbst um die Regeln kümmern.
Was passiert, wenn du nichts tust?
Wenn du die Erbschaftsteuererklärung nicht einreichst, drohen:
- Ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro
- Zinsen von 0,5 % pro Monat auf die ausstehende Steuer
- Ein Zwangsvollstreckungsverfahren - auch gegen deine deutsche Immobilie
- Ein Eintrag in die Steuer-Sünderdatei
Und das ist nicht alles. Wenn du in Spanien oder Italien die Steuer nicht zahlst, kann das Land deine Immobilie pfänden. Die deutsche Steuerbehörde kann nicht einfach in Spanien durchgreifen - aber die spanische kann. Und die macht das.
Ein Fall aus dem Jahr 2023: Ein Erbe aus Hamburg ignorierte die spanische Steuerrechnung. Zwei Jahre später wurde die Immobilie auf Auktion gesetzt. Der Erbe bekam nichts - nicht das Haus, nicht das Geld. Nur eine Rechnung von 80.000 Euro, die er trotzdem zahlen musste.
Muss ich Erbschaftssteuer zahlen, wenn ich eine Immobilie im Ausland erbe?
Ja, wenn du in Deutschland wohnst oder der Erblasser zuletzt in Deutschland lebte. Die deutsche Erbschaftssteuer gilt für das gesamte Weltvermögen. Das bedeutet: Auch ausländische Immobilien müssen in Deutschland versteuert werden - unabhängig davon, wo sie liegen.
Kann ich doppelt besteuert werden?
Ja, wenn das Land, in dem die Immobilie liegt, kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland hat. Das gilt für Spanien, Italien, Portugal und viele andere Länder. Du zahlst dann Steuern im Ausland und in Deutschland. Aber: Du kannst die ausländische Steuer auf die deutsche Steuer anrechnen - wenn du den Antrag rechtzeitig stellst.
Wie bewerte ich eine ausländische Immobilie für das deutsche Finanzamt?
Du musst den „gemeinen Wert“ nachweisen - also den realistischen Marktwert. Dafür kannst du ein deutsches Gutachten einreichen, eine Bescheinigung eines ausländischen Notars oder eigene Belege (Mietpreise, Kaufangebote). Das Finanzamt akzeptiert ausländische Bescheinigungen nicht automatisch - oft wird ein deutsches Gutachten verlangt.
Gilt das deutsche Erbrecht auch für ausländische Immobilien?
Nein. Seit 2015 gilt die Europäische Erbrechtsverordnung: Das Recht des Landes, in dem der Erblasser zuletzt wohnte, gilt - es sei denn, er hat im Testament ausdrücklich das deutsche Recht gewählt. In Spanien oder Frankreich gibt es oft Pflichtteile, die das Testament außer Kraft setzen.
Wie lange habe ich Zeit, die Erbschaftssteuer zu zahlen?
Du hast drei Monate Zeit, die Steuererklärung einzureichen. Nach der Festsetzung hast du sechs Monate, um die Steuer zu zahlen. Verzögerst du die Zahlung, fallen Verzugszinsen von 0,5 % pro Monat an - das kann schnell tausende Euro ausmachen.
Kann ich die Erbschaftssteuer für eine vermietete Immobilie reduzieren?
Ja. Seit Oktober 2023 gilt ein 10 %iger Abschlag für vermietete Wohnimmobilien auch für Immobilien in Drittländern. Das bedeutet: Wenn du ein Haus in Portugal erbst und es vermietest, kannst du den steuerbaren Wert um 10 % reduzieren - und damit Steuern sparen.
Was passiert, wenn ich die Erbschaftssteuer nicht zahle?
Du bekommst eine Nachzahlung mit Zinsen. Das Finanzamt kann auch Zwangsvollstreckung gegen deine deutschen Vermögenswerte anordnen. Im Ausland kann das Land die Immobilie pfänden - und dich zwingen, die Steuer zu zahlen, auch wenn du sie nicht mehr hast.
Wo finde ich einen Spezialisten für Auslandsimmobilien im Erbfall?
Suche nach Fachanwälten für Erbrecht mit Zertifizierung im internationalen Erbrecht. Der Deutsche Anwaltverein führt eine Liste. Achte darauf, dass der Anwalt Erfahrung mit dem Land hat, in dem die Immobilie liegt - nicht nur mit Deutschland.