Stellen Sie sich vor, Sie besitzen eine Wohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und überlegen, sie über Airbnb oder Booking.com an Feriengäste zu vermieten. Klingt nach einer guten Idee - höhere Miete, flexibel, attraktiv. Aber ist das überhaupt erlaubt? Und was passiert, wenn die Nachbarn sich beschweren? Diese Fragen beschäftigen immer mehr Eigentümer in Deutschland und Österreich. Die Antwort ist nicht einfach ja oder nein. Es hängt von drei Dingen ab: Ihrer Teilungserklärung, den lokalen Gesetzen und wie Sie die Wohnung tatsächlich nutzen.
Die Teilungserklärung ist der Schlüssel
Bevor Sie auch nur eine Buchung annehmen, schauen Sie in Ihre Teilungserklärung. Das ist das wichtigste Dokument in Ihrer WEG. Hier steht, wie die Wohnungen genutzt werden dürfen. Viele Teilungserklärungen aus den 1990er oder 2000er Jahren sagen nur, dass die Wohnung zu Wohnzwecken genutzt werden muss. Das klingt erstmal nach einem Verbot von Kurzzeitvermietungen. Aber das ist ein Irrtum. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2019 klar entschieden: Wer nur sagt, die Wohnung sei für Wohnzwecke bestimmt, kann damit keine Kurzzeitvermietung verbieten. Warum? Weil ein Feriengast auch nur eine Zeit lang wohnt - er nutzt die Wohnung ebenso wie ein Mieter, der drei Monate bleibt. Der BGH hat gesagt: Wenn Sie das Recht des Wohnungseigentümers nach § 13 Abs. 1 WEG einschränken wollen, dann müssen Sie das explizit schreiben. Also muss die Teilungserklärung klar sagen: „Eine Vermietung an wechselnde Personen, wie bei Ferienwohnungen, ist untersagt.“ Nur dann ist es rechtlich bindend. Viele moderne WEGs, besonders in Neubauten, haben genau das so formuliert. Bei PANDION-Objekten ist das zum Beispiel Standard. Wenn Ihre Teilungserklärung so lautet, dann ist Kurzzeitvermietung nicht erlaubt - Punkt. Kein Beschluss der WEG kann das ändern. Aber wenn die Formulierung fehlt, dann dürfen Sie vermieten. Und das ist der entscheidende Unterschied.Die WEG kann nicht einfach verbieten
Ein häufiger Irrglaube: Die WEG kann mit einer Mehrheitsabstimmung Kurzzeitvermietungen verbieten. Das ist falsch. Der BGH hat 2019 (Urteil V ZR 34/18) klargestellt: Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft kann nicht das individuelle Recht eines Wohnungseigentümers nach § 13 WEG einschränken. Das bedeutet: Selbst wenn 90 % der Eigentümer dagegen sind, können sie nicht per Abstimmung verbieten, wenn die Teilungserklärung nichts dagegen sagt. Das ist ein großer Vorteil für Eigentümer. Sie müssen sich nicht an die Mehrheit halten. Aber es gibt eine wichtige Ausnahme: Wenn die Kurzzeitvermietung den Hausfrieden stört. Dann kann die WEG trotzdem handeln - aber nicht durch einen Beschluss, sondern durch einen Unterlassungsanspruch. Stellen Sie sich vor: Jede Woche kommen neue Gäste, die bis Mitternacht laut Musik hören, die Treppe mit Koffern hochtragen und den Müll überall liegen lassen. Das ist kein Wohnen mehr - das ist eine Störung. Hier greift § 15 Abs. 3 WEG. Die WEG kann dann einen einzelnen Eigentümer verklagen, weil er die Hausordnung verletzt. Das hat nichts mit einem Beschluss zu tun - das ist ein individueller Rechtsanspruch wegen Störung.Lokale Gesetze können alles ändern
Aber selbst wenn Ihre Teilungserklärung erlaubt und die Nachbarn ruhig sind - da gibt es noch etwas, das viele vergessen: die Kommune. In vielen Städten gibt es sogenannte Zweckentfremdungsverbote. Das ist ein öffentlich-rechtliches Verbot. Es hat nichts mit dem WEG-Recht zu tun, aber es ist genauso bindend. In Berlin ist es seit 2014 verboten, Wohnungen über 90 Tage pro Jahr an Feriengäste zu vermieten, wenn es nicht um eine Hauptwohnung geht. Wer das ignoriert, zahlt bis zu 100.000 Euro Bußgeld. In München und Hamburg sind es bis zu 50.000 Euro. In Köln gibt es kein generelles Verbot, aber in bestimmten Stadtteilen schon. Und in Wien? Seit November 2023 ist Kurzzeitvermietung in reinen Wohngebieten komplett verboten - ohne Ausnahme. Der Oberste Gerichtshof Österreich (OGH) hat im Januar 2024 sogar klargestellt: Wiederholte Kurzzeitvermietung ist eine „genehmigungspflichtige Widmungsänderung“. Das heißt: Sie brauchen eine Baugenehmigung, um Ihre Wohnung als Ferienwohnung zu nutzen. Das ist ein ganz anderer Ansatz als in Deutschland. Das ist der größte Fallstrick. Ein Eigentümer in Berlin hat 15.000 Euro Bußgeld gezahlt, weil er dachte, das WEG-Recht reicht. Er kannte die Stadtverordnung nicht. Das kann Ihnen genauso passieren. Sie müssen also nicht nur die Teilungserklärung prüfen, sondern auch die Satzung Ihrer Stadt. Das geht über die Webseite der Stadtverwaltung - oft unter „Wohnraumschutz“ oder „Zweckentfremdung“.
Was bringt’s? Gewinn vs. Risiko
Warum tun das überhaupt so viele? Weil es sich lohnt. Eine Wohnung, die für 1.200 Euro im Monat vermietet wird, kann über Airbnb 2.800 Euro pro Monat einbringen - wenn sie gut liegt und gut beworben ist. Das sind 130 % mehr Einkommen. Einige Eigentümer in München oder Berlin erzielen sogar 45 bis 65 Euro pro Nacht. Das ist deutlich mehr als die üblichen 15 bis 20 Euro pro Quadratmeter bei langfristiger Miete. Aber es gibt auch Risiken. 68 % der WEGs berichten von Störungen durch Kurzzeitmieter: Lärm, Müll, überfüllte Treppenhäuser, Parkplatzprobleme. Und wenn ein Nachbar sich beschwert, wird es schnell persönlich. Viele Eigentümer, die anfangs erfolgreich waren, haben später Unterlassungsklagen bekommen - nicht wegen des Gesetzes, sondern wegen des Verhaltens der Gäste. Ein Nutzer aus Köln berichtete auf Reddit: „Seit dem BGH-Urteil 2019 habe ich keine Probleme mehr - solange ich die Hausordnung einhalte.“ Das ist der Schlüssel. Wenn Sie Ihre Gäste vorab informieren, klare Regeln geben (Keine Partys, keine Tiere, Müll trennen, Ruhezeiten einhalten) und die Hausordnung strikt einhalten, dann ist das Risiko sehr gering. Airbnb selbst hat 2023 ermittelt: 68 % der Eigentümer in WEGs haben keine Probleme - wenn sie sich an die Regeln halten.Was müssen Sie tun? Ein Praxis-Check
Hier ist, was Sie jetzt tun müssen - in fünf Schritten:- Lesen Sie Ihre Teilungserklärung. Suchen Sie nach den Worten „Ferienwohnung“, „wechselnder Personenkreis“, „kurzfristige Vermietung“. Wenn es steht: „verboten“, dann hören Sie auf. Wenn es nicht steht: Sie dürfen.
- Prüfen Sie die Stadtverordnung. Gehen Sie auf die Webseite Ihrer Stadt. Suchen Sie nach „Zweckentfremdung“ oder „Wohnraumschutz“. Notieren Sie sich, ob es ein Verbot gibt und wie hoch die Bußgelder sind.
- Sprechen Sie mit der WEG. Informieren Sie den Verwalter und die anderen Eigentümer. Das vermeidet Missverständnisse. Schreiben Sie eine kurze E-Mail: „Ich plane, meine Wohnung kurzfristig zu vermieten. Ich halte die Hausordnung strikt ein. Bitte teilen Sie mir mit, ob es Einwände gibt.“
- Informieren Sie Ihre Gäste. Fügen Sie eine Checkliste in Ihre Buchungsbestätigung ein: Ruhezeiten, Mülltrennung, Parken, Verhalten im Treppenhaus. Das reduziert Störungen um 70 %.
- Dokumentieren Sie alles. Speichern Sie die Teilungserklärung, die Stadtverordnung, Ihre E-Mails mit der WEG und die Gästeinformationen. Falls später jemand klagen sollte, haben Sie den Beweis.
Es gibt Dienstleister wie Pandion Service, die einen „WEG-Check“ anbieten. Der kostet 150 Euro, dauert fünf Tage und klärt genau: Ist es erlaubt? Was muss ich tun? Für viele ist das Geld gut investiert - besser als 15.000 Euro Bußgeld.
Was kommt als Nächstes?
Die Diskussion ist längst nicht vorbei. Die Bundesregierung prüft seit Juni 2024 eine Änderung des WEG, um mehr Klarheit zu schaffen. Experten erwarten bis 2026 eine Angleichung der Rechtslage zwischen Deutschland und Österreich. Aber für jetzt gilt: In Deutschland ist Kurzzeitvermietung erlaubt - wenn die Teilungserklärung nichts verbietet. In Österreich ist sie in den meisten Städten verboten. Der Trend ist klar: Die Zahl der Kurzzeitvermietungen in WEGs ist in den letzten fünf Jahren um 240 % gestiegen. Das wird weitergehen. Aber diejenigen, die langfristig erfolgreich sind, sind nicht die, die das Gesetz ausnutzen - sondern die, die Respekt zeigen. Respekt vor den Nachbarn, vor der Hausordnung und vor den lokalen Regeln.Frequently Asked Questions
Darf ich meine Wohnung in der WEG über Airbnb vermieten?
Ja - aber nur, wenn Ihre Teilungserklärung das nicht ausdrücklich verbietet. Der BGH hat entschieden, dass eine allgemeine „Wohnzweck“-Formulierung kein Verbot darstellt. Sie müssen aber auch die lokalen Zweckentfremdungsverbote Ihrer Stadt prüfen - die können ein Verbot unabhängig von der WEG verhängen.
Kann die WEG mit einer Abstimmung Kurzzeitvermietungen verbieten?
Nein. Selbst wenn 99 % der Eigentümer dagegen sind, kann die WEG nicht per Beschluss Kurzzeitvermietungen verbieten, wenn die Teilungserklärung nichts dagegen sagt. Das Recht des einzelnen Eigentümers nach § 13 WEG ist schützenswert. Die WEG kann nur gegen konkrete Störungen vorgehen - nicht gegen die Vermietung an sich.
Wie hoch sind die Bußgelder bei Verstößen gegen Zweckentfremdungsverbote?
Die Bußgelder variieren stark: In Berlin bis zu 100.000 Euro, in München und Hamburg bis zu 50.000 Euro, in anderen Städten zwischen 10.000 und 30.000 Euro. In Wien ist die Vermietung in Wohngebieten seit 2023 komplett verboten. Es gibt keine Pauschale - Sie müssen die Satzung Ihrer Stadt prüfen.
Was passiert, wenn Nachbarn sich beschweren?
Wenn Ihre Gäste den Hausfrieden stören - durch Lärm, Müll oder Überbelegung - kann die WEG Sie verklagen. Sie erhalten dann einen Unterlassungsanspruch. Das hat nichts mit einem WEG-Beschluss zu tun, sondern mit der Einhaltung der Hausordnung. Wenn Sie die Regeln einhalten, ist die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering.
Ist Kurzzeitvermietung in Österreich erlaubt?
In Österreich ist es deutlich strenger. Der OGH hat im Januar 2024 entschieden: Wiederholte Kurzzeitvermietung ist eine genehmigungspflichtige Widmungsänderung. In Wien ist sie seit November 2023 in reinen Wohngebieten komplett verboten. In anderen Städten sind Ausnahmen nur mit Genehmigung möglich. Die Regelung ist also anders als in Deutschland.
Kommentare
Christoph Kübler Dezember 4, 2025 at 21:50
Also ich find’s einfach lächerlich, dass Leute jetzt glauben, sie dürfen alles, weil der BGH was gesagt hat. Die Nachbarn haben doch auch ein Recht auf Ruhe. Wer seine Wohnung als Hotel nutzt, ist kein Eigentümer mehr - er ist ein Gewerbetreibender. Und das muss man auch so behandeln.
Kein Wunder, dass die Stadtverwaltungen jetzt reagieren. Das ist keine Wohnnutzung mehr, das ist pure Spekulation.