Warum Privatverkauf so attraktiv - und so riskant ist
Die Idee klingt verlockend: Sie verkaufen Ihre Immobilie ohne Makler, sparen Tausende Euro an Provisionen und behalten die Kontrolle über den gesamten Prozess. Doch hinter dieser Freiheit verstecken sich rechtliche Fallen, die viele erst entdecken, wenn es zu spät ist. In Österreich und Deutschland ist der Privatverkauf legal - aber nicht einfach. Laut dem Immobilienverband IVD wurden 2023 rund 35 % aller Immobilienverkäufe privat abgewickelt. Doch die Zahlen zeigen auch: 68 % der Privatverkäufer stießen auf rechtliche Unstimmigkeiten, und 42 % mussten nachträglich zusätzliche Kosten tragen. Der durchschnittliche Verkaufspreis liegt bei Privatverkäufen 5,2 % unter dem Preis, den Makler erzielen. Die Dauer? Fast zwei Monate länger.
Die größten rechtlichen Stolperfallen - und wie Sie sie vermeiden
Die meisten Privatverkäufer unterschätzen die Komplexität der rechtlichen Anforderungen. Es geht nicht nur um einen Vertrag unterschreiben und den Schlüssel übergeben. Es geht um Dokumente, die Sie nicht kennen, und Belastungen, die Sie vielleicht gar nicht bemerkt haben.
Eine der häufigsten Fallen: C-Blatt-Belastungen. Das sind Rechte, die Dritte an Ihrer Immobilie haben - etwa eine Dienstbarkeit, die einem Nachbarn das Recht gibt, über Ihr Grundstück zu gehen, oder eine Reallast, die jährlich 1.200 € an einen Verein zahlen muss. Wenn Sie diese im Kaufvertrag nicht vollständig und korrekt angeben, wird der Käufer sie übernehmen - und der Staat rechnet den Wert dieser Lasten als Teil des Kaufpreises. Das heißt: Wenn der Käufer eine Reallast von 30.000 € übernimmt, wird dieser Betrag zum Kaufpreis addiert. In Österreich führt das zu einer höheren Grunderwerbsteuer von 3,5 % bis 4,5 %, und Sie als Verkäufer zahlen mehr Immobilienertragsteuer auf Ihren Gewinn. Steuerberater wie Michael Schneider aus Wien warnen: „Die meisten Verkäufer merken erst nach der Steuerrechnung, dass sie unbewusst mehr Gewinn gemacht haben - und dafür zahlen.“
Ein weiterer Klassiker: der Energieausweis. Seit 2014 ist er in Deutschland und Österreich gesetzlich vorgeschrieben. Ohne ihn dürfen Sie nicht verkaufen. Doch viele Privatverkäufer holen ihn erst, wenn ein Interessent ihn verlangt - zu spät. Ein fehlender oder falscher Energieausweis kann den Vertrag ungültig machen oder zu Bußgeldern führen. Der Ausweis muss aktuell sein (nicht älter als 10 Jahre) und die tatsächliche Energieeffizienz widerspiegeln. Ein falscher Wert - etwa wenn Sie die Heizung ersetzt haben, aber den Ausweis nicht aktualisiert haben - kann später als Täuschung gewertet werden.
Und dann gibt es noch die Mängeloffenlegung. Sie müssen alle bekannten Mängel schriftlich nennen - nicht nur große, wie ein undichtes Dach, sondern auch kleine, wie eine defekte Heizungspumpe oder Risse in der Fassade, die Sie selbst repariert haben. Wer das unterschätzt, riskiert eine Schadensersatzklage - auch Jahre nach dem Verkauf. Rechtsanwalt Dr. Thomas Weber aus Wien sagt: „Ein Käufer kann noch fünf Jahre nach dem Kauf klagen, wenn er beweist, dass Sie einen Mangel verschwiegen haben.“
Der Notar ist nicht Ihr Anwalt - und das ist ein Irrtum
Ein großer Trugschluss: Der Notar kümmert sich um alles. Falsch. Der Notar ist eine neutrale Instanz. Er stellt den Vertrag auf, prüft die Identitäten, sorgt dafür, dass die Grunderwerbsteuer bezahlt wird, und trägt den Käufer ins Grundbuch ein - aber er gibt Ihnen keine rechtliche Beratung. In Deutschland ist das ausdrücklich verboten. In Österreich gilt das Gleiche. Wenn Sie Fragen haben, ob ein Vertragsabschnitt fair ist, ob Ihre Angaben korrekt sind, oder ob der Käufer wirklich zahlungsfähig ist - der Notar wird Ihnen nicht helfen. Er darf nur sagen: „Das steht so im Gesetz.“
Das bedeutet: Sie müssen vor dem Notartermin alles richtig haben. Ein falsch formulierter Satz im Kaufvertrag, eine unvollständige Liste der Belastungen, ein fehlender Grundbuchauszug - das kann den gesamten Verkauf gefährden. Und der Notar wird Ihnen nicht helfen, das zu retten. Er wird den Vertrag nur aufheben - und Sie stehen mit leeren Händen da.
Die Bonitätsprüfung - wo die meisten Privatverkäufer scheitern
Ein Käufer sagt: „Ich habe die Finanzierung schon in der Tasche.“ Sie glauben ihm. Und unterschreiben. Ein Monat später: Kein Geld. Keine Bank. Keine Lösung. Der Käufer hat nie eine echte Finanzierungszusage, sondern nur eine „Vorinformation“ von seiner Bank bekommen - das reicht nicht.
Die Bonitätsprüfung ist der entscheidende Punkt, den Privatverkäufer oft ignorieren. Ein Makler prüft das mit einem Kreditvermittler, erhält eine schriftliche Zusage und weiß, ob der Käufer wirklich zahlen kann. Sie als Privatverkäufer haben diese Tools nicht. Sie müssen selbst nachfragen: „Haben Sie eine schriftliche Finanzierungsbestätigung der Bank?“ Und diese Bestätigung muss den Kaufpreis, die Immobilienadresse und die Laufzeit enthalten. Ohne das ist alles Spiel. Laut Ohne-Makler.net ist „der Wunsch oft Vater des Gedankens“ - viele Interessenten haben gar nicht die Mittel, aber sie wollen die Immobilie so sehr, dass sie lügen.
Was Sie unbedingt brauchen - die Checkliste für den Privatverkauf
Wenn Sie verkaufen, brauchen Sie mehr als nur ein paar Fotos und eine Anzeige. Hier ist, was Sie vor dem ersten Besichtigungstermin haben müssen:
- Grundbuchauszug (nicht älter als 30 Tage) - hier sehen Sie alle Belastungen, Eigentümer und Rechte
- Energieausweis - gültig, aktuell, mit korrekten Werten
- Teilungserklärung (bei Eigentumswohnungen) - zeigt, wer was besitzt und wie die Gemeinschaftskosten verteilt sind
- Alle Baugenehmigungen - auch für kleinere Umbauten wie eine Terrasse oder einen Anbau
- Mängelprotokoll - schriftlich festgehalten, was bekannt ist und was repariert wurde
- Kopie des Kaufvertrags - nutzen Sie eine Muster-Vorlage, aber lassen Sie sie von einem Rechtsanwalt prüfen
Keine dieser Unterlagen ist optional. Fehlt einer davon, riskieren Sie nicht nur einen Verkaufsabbruch - sondern auch rechtliche Konsequenzen.
Was Sie sparen - und was Sie wirklich verlieren
Ein Einfamilienhaus im Wert von 500.000 €: Ein Makler verlangt 4,76 % Provision plus 19 % Mehrwertsteuer - das sind 28.322 €. Sie sparen das - klar. Aber was kostet der Privatverkauf wirklich?
Die Zeit: 120 bis 150 Stunden - für Recherche, Fotos, Anzeigen, Besichtigungen, Verhandlungen, Dokumente. Die Kosten: Ein Rechtsanwalt für die Vertragsprüfung (ca. 800-1.500 €), ein Gutachter für den Energieausweis (200-400 €), ein Notar (ca. 1.000 €), mögliche Nachbesserungen, wenn ein Mangel nicht erkannt wurde (5.000 € und mehr). Und die Chance: Ein niedrigerer Verkaufspreis. Laut Statistischem Bundesamt liegen Privatverkäufe im Durchschnitt 5,2 % unter dem Marktpreis. Bei 500.000 € sind das 26.000 €. Sie sparen 28.000 € Provision - aber verlieren 26.000 € am Preis. Und das, ohne die Zeit und den Stress zu berücksichtigen.
Wann lohnt sich der Privatverkauf - und wann nicht
Es gibt Situationen, in denen der Privatverkauf Sinn macht: Wenn Sie Ihre Immobilie an einen Verwandten verkaufen, wenn der Käufer bereits bekannt ist, oder wenn die Immobilie sehr einfach ist - eine kleine Wohnung ohne Belastungen, mit neuem Energieausweis und klaren Unterlagen.
Aber wenn es um ein Haus mit Dachgeschossausbau, einer Reallast, einem alten Heizsystem und einem unklaren Grundbuchauszug geht - dann ist der Risikoaufwand zu hoch. Experten wie Markus Rehkugler, Autor des Fachbuchs „Privatverkauf einer Immobilie“ (2025), sagen klar: „Wenn Sie nicht Rechtsanwalt oder Steuerberater sind, sollten Sie sich professionelle Hilfe holen. Nicht weil Sie nicht können - sondern weil die Konsequenzen zu groß sind.“
Die Zukunft: Digitalisierung und mehr Transparenz
Seit Juli 2023 können Notartermine in Deutschland teilweise digital abgewickelt werden - das beschleunigt den Prozess. In Österreich wurde am 1. Januar 2024 das Grunderwerbsteuergesetz verschärft, um steuerliche Schlupflöcher bei C-Blatt-Belastungen zu schließen. Die Digitalisierung macht es leichter, Dokumente zu prüfen - aber nicht einfacher, sie zu verstehen.
Die Zahl der Rechtsstreitigkeiten bei Privatverkäufen ist in den letzten fünf Jahren um 27 % gestiegen. Die Ursache? Überschätzung der eigenen Kompetenz. Die Lösung? Nicht mehr „ich mache das allein“, sondern „ich mache das mit Unterstützung“.
Es gibt heute Dienstleister, die Ihnen helfen: Rechtsanwälte für Immobilienrecht, Steuerberater, die speziell auf Verkäufe spezialisiert sind, oder Plattformen, die digitale Checklisten und Vertragsvorlagen anbieten - mit juristischer Prüfung. Das ist kein Luxus. Das ist Versicherung.
Was Sie jetzt tun können
Wenn Sie verkaufen wollen, beginnen Sie nicht mit der Anzeige. Beginnen Sie mit dem Grundbuchauszug. Holen Sie ihn. Lesen Sie ihn. Verstehen Sie, was drinsteht. Dann holen Sie den Energieausweis. Dann fragen Sie einen Rechtsanwalt, ob Ihr Vertragsentwurf sicher ist. Machen Sie das, bevor Sie einen Interessenten in Ihr Haus lassen.
Der Privatverkauf ist kein DIY-Projekt. Es ist ein rechtlicher Prozess mit hohen finanziellen Folgen. Wer ihn ernst nimmt, schützt sich. Wer ihn unterschätzt, zahlt später - oft viel mehr als die Maklerprovision, die er sparen wollte.