Warum dein Haus im Sommer überhitzen kann - und wie du das verhindern
Im Sommer wird es in vielen Häusern unerträglich heiß - selbst wenn die Fenster geschlossen sind. Das liegt nicht an schlechter Isolierung, wie viele denken, sondern an einem grundlegenden Missverständnis: Wärmeschutz ist nicht nur für den Winter da. Seit dem 1. November 2020 ist der sommerliche Wärmeschutz im Gebäudeenergiegesetz (GEG) gesetzlich vorgeschrieben. Das bedeutet: Jedes neue Haus oder jede Erweiterung über 50 Quadratmeter muss so gebaut werden, dass es im Hochsommer nicht zur Ofenwirtschaft wird. Und das hat nichts mit Klimaanlagen zu tun - es geht um kluge Bauweise.
Du hast ein modernes Haus mit großen Fenstern, niedrigen Heizkosten und hervorragender Dämmung? Toll. Aber wenn du im Juli bei 30 Grad Außentemperatur trotzdem 28 Grad im Wohnzimmer hast, dann hast du einen entscheidenden Teil vernachlässigt: den sommerlichen Wärmeschutz. Die Lösung liegt nicht in mehr Stromverbrauch, sondern in zwei einfachen, aber oft ignorierten Prinzipien: Sonnenschutz und Speichermasse.
Was ist eigentlich Speichermasse - und warum ist sie so wichtig?
Speichermasse ist nicht irgendein Baustoff. Es ist die Fähigkeit von schweren Materialien, Wärme aufzunehmen, zu speichern und langsam wieder abzugeben. Beton, Ziegel, massive Holzdecken, dickwandige Innenwände - das sind die unsichtbaren Helden im Sommer. Sie wirken wie ein thermischer Puffer: Tagsüber saugen sie die Wärme aus der Luft auf, bevor sie dich erreicht. Dadurch bleibt die Raumtemperatur niedriger, als sie sonst wäre.
Stell dir vor, du hast eine massive Betondecke über dem Wohnzimmer. Bei 35 Grad Außentemperatur nimmt sie die Hitze auf, die durch die Fenster kommt. Die Luft im Raum bleibt deshalb erstmal unter 25 Grad. Erst nachts, wenn es kühler wird, gibt die Decke die gespeicherte Wärme ab - und zwar dann, wenn du sie durch Nachtlüftung rausziehen kannst. Das ist kein Zauberspruch, das ist Physik. Und es funktioniert. Ein Nutzer auf Heimwerker-Forum.de berichtet, dass er nach dem Nachrüsten von Betonwänden in seinem Passivhaus die Temperaturen selbst bei 35 Grad Außentemperatur unter 25 Grad halten konnte.
Wichtig ist: Die Speichermasse muss innen liegen. Eine gedämmte Außenwand hält die Wärme draußen - aber sie speichert sie nicht. Nur wenn die schwere Schicht direkt im Raum ist, kann sie die Luft abkühlen. Und sie muss nicht aus Beton sein: Auch schweres Mauerwerk, dickwandige Holzrahmenbau-Beplankung oder massive Holzdecken wirken ähnlich gut. Der entscheidende Faktor ist die Rohdichte - je schwerer das Material, desto besser die Speicherfähigkeit.
Sonnenschutz: Warum innen nicht reicht - und außen alles verändert
Die meisten Menschen denken: „Ich mache die Rollläden zu, dann ist es kühl.“ Das ist ein Fehler. Innere Sonnenschutzsysteme wie Rollläden, Jalousien oder Vorhänge blockieren nur das Licht - aber nicht die Wärme. Die Sonne strahlt durch das Fenster, die Wärme trifft auf den Boden, die Möbel, die Wände - und wird dort als Wärmestrahlung gespeichert. Die Rollläden hindern sie nicht daran, den Raum aufzuheizen. Sie verhindern nur, dass du die Hitze siehst.
Der wirkungsvolle Sonnenschutz kommt von außen. Ein Vorsprung am Dach, ein überstehender Balkon, eine Markise, eine Außenjalousie - das sind die echten Lösungen. Sie verhindern, dass die Sonnenstrahlen überhaupt das Fenster erreichen. Die Wärme bleibt draußen. Eine Studie des Verbands Wärmedämm-Systeme (VWS) mit 1.200 Befragten ergab: Wer außenliegenden Sonnenschutz und massive Innenbauteile kombiniert, erlebt in 87 % der Fälle keine Temperaturen über 26 Grad - selbst bei extremer Hitze.
Ein typischer Fehler: Ein Haus mit riesigen Südfenstern, aber nur innenliegenden Rollläden. Die Folge? Der Raum heizt sich trotz „Schutz“ auf. In einem Thread auf Bausachverstaendiger.de beschreibt ein Nutzer, wie er nachträglich innenliegende Rollläden installieren musste - weil die vorgesehene Außenjalousie nicht ausreichte. Und er hatte recht: Innere Systeme sind immer weniger effektiv. Die beste Lösung: Sonnenschutz vor dem Fenster, Speichermasse dahinter.
Die perfekte Kombination: Sonnenschutz + Speichermasse + Nachtlüftung
Es gibt keine einzelne Maßnahme, die allein funktioniert. Der sommerliche Wärmeschutz ist ein System. Und das System besteht aus drei Säulen:
- Außenliegender Sonnenschutz - verhindert, dass Sonnenwärme ins Haus gelangt
- Speichermasse - nimmt die verbleibende Wärme auf und puffert sie
- Nachtlüftung - entlädt die gespeicherte Wärme, wenn es draußen kühler ist
Die Nachtlüftung ist der unsichtbare Schlüssel. In der zweiten Nachthälfte, meist zwischen 2 und 5 Uhr, sinkt die Außentemperatur am stärksten. Dann öffnest du die Fenster - am besten querlüften, also Fenster auf beiden Seiten des Hauses. Die kühle Luft strömt durch, nimmt die Wärme aus den massiven Decken und Wänden mit - und kühlt sie für den nächsten Tag ab. Ohne diese Lüftung wird die Speichermasse überlastet. Sie speichert dann zu viel - und gibt sie am nächsten Tag wieder ab, bevor du sie brauchst.
Ein Haus mit guter Speichermasse, aber ohne Nachtlüftung, wird im Laufe der Woche immer heißer. Ein Haus mit Sonnenschutz und Nachtlüftung, aber ohne Speichermasse, kühlt zwar nachts gut ab - aber tagsüber heizt es sich schnell auf. Nur die Kombination aus allen drei macht den Unterschied.
Was du bei Sanierungen tun kannst - und was nicht
Wenn du dein bestehendes Haus sanierst, ist es oft schwierig, massive Innenwände nachträglich einzubauen. Aber du kannst trotzdem viel tun. Zuerst: Sonnenschutz nachrüsten. Außenjalousien, Markisen oder fest installierte Sonnenschutzgitter sind relativ einfach zu montieren. Viele Hersteller wie Warema oder Schenker Storen bieten Lösungen für bestehende Gebäude an.
Zweitens: Die Fenster optimieren. Ein g-Wert unter 0,50 ist ideal - das bedeutet, dass weniger Sonnenwärme durch das Glas kommt. Viele moderne Fenster haben g-Werte von 0,60 oder höher - das ist zu viel für den Sommer. Wenn du neue Fenster einbaust, achte darauf, dass der g-Wert niedrig ist. Und: Vermeide große Fensterflächen in Südlage, wenn du keine ausreichende Verschattung einplanen kannst.
Drittens: Nutze die Wärmespeicherfähigkeit, die du hast. Wenn du eine Betondecke hast - lass sie frei. Keine Holzdecken, keine Teppiche, keine Deckenverkleidungen. Die Masse muss sichtbar sein, damit sie wirken kann. Und wenn du eine massive Ziegelwand hast - nicht verputzen oder verkleiden. Der Wärmespeicher wirkt nur, wenn er mit der Raumluft in Kontakt ist.
Warum Klimaanlagen keine Lösung sind - und warum du sie vermeiden solltest
Ein Klimagerät kühlt - aber es verbraucht Strom. Und zwar viel. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik benötigen Klimaanlagen im Durchschnitt 200 bis 300 kWh pro Quadratmeter und Jahr. Das ist mehr als der gesamte Heizenergiebedarf eines Niedrigenergiehauses im Winter. Und das ist nur der Anfang: Die Wärme, die du aus dem Haus pumpst, wird in die Umgebung abgegeben - und macht den Sommer in der Nachbarschaft noch heißer.
Im Vergleich dazu: Eine gut geplante passive Lösung mit Sonnenschutz, Speichermasse und Nachtlüftung reduziert den Kühlenergiebedarf um bis zu 75 %. Und sie kostet nach der Einrichtung nichts mehr. Keine Stromrechnung, keine Wartung, kein Lärm. Sie funktioniert, solange das Haus steht.
Experten wie Dipl.-Ing. Susanne Theissing vom ift Rosenheim warnen: „Viele Planer konzentrieren sich immer noch primär auf den winterlichen Wärmeschutz und vernachlässigen die sommerlichen Anforderungen.“ Das führt dazu, dass moderne Niedrigenergiehäuser im Sommer unerträglich heiß werden - obwohl sie im Winter perfekt isoliert sind. Das ist kein Erfolg. Das ist ein Planungsfehler.
Was du jetzt tun kannst - 5 konkrete Schritte
- Prüfe deine Fenster: Welchen g-Wert haben sie? Wenn über 0,50, überlege einen Sonnenschutz nachzurüsten.
- Beobachte die Sonnenstrahlung: Wo trifft die Sonne im Sommer am stärksten auf deine Fenster? Zeichne das auf - dann weißt du, wo du Schutz brauchst.
- Prüfe deine Innenwände und Decken: Sind sie massiv? Beton, Ziegel, dickes Holz? Wenn ja - lass sie frei. Wenn nicht, überlege, ob du bei einer Renovierung massive Bauteile einbauen kannst.
- Installiere außenliegenden Sonnenschutz: Markise, Jalousie, Balkonvorsprung - das ist die beste Investition.
- Öffne die Fenster nachts: Ab 22 Uhr, spätestens bis 5 Uhr - besonders an heißen Tagen. Nutze die kühle Nachtluft, um deine Speichermasse abzukühlen.
Die Zukunft des Wohnens ist nicht klimatisiert. Sie ist intelligent gebaut. Und sie beginnt nicht mit einer Klimaanlage - sie beginnt mit einem Sonnenschutz, einer Betondecke und einem offenen Fenster in der Nacht.