Wasserschäden an Immobilien erkennen: So setzen Sie einen Feuchtigkeitsmesser richtig ein

Wasserschäden an Immobilien erkennen: So setzen Sie einen Feuchtigkeitsmesser richtig ein

Ein feuchter Fleck an der Wand, ein muffiger Geruch im Bad oder abblätternde Tapete - das sind klare Warnsignale. Doch was, wenn nichts sichtbar ist, aber die Heizung trotzdem nicht warm genug wird? In vielen Fällen liegt ein Wasserschaden vor, der noch unsichtbar ist. Und genau hier kommt der Feuchtigkeitsmesser ins Spiel. Doch viele kaufen das Gerät, messen kurz, sehen einen hohen Wert und panikieren - oder ignorieren ihn einfach. Beides ist falsch. Der richtige Umgang mit einem Feuchtigkeitsmesser ist kein Zufall. Er ist eine Methode. Und wer sie nicht beherrscht, macht Fehler, die teuer werden.

Was zeigt ein Feuchtigkeitsmesser wirklich?

Vergleich der Messverfahren für Feuchtigkeitsmessung
Messverfahren Prinzip Tiefe Zerstörung Genauigkeit Beste für
Kapazitiv Elektromagnetische Felder bis 15 cm nein ±0,5% (professionell) Wände, Decken, Estrich
Widerstand Elektrischer Widerstand zwischen Elektroden 1-5 cm ja (kleine Löcher) ±1-3% Holz, Gips, Putz
Infrarot-Thermografie Temperaturunterschiede Oberfläche nein keine Feuchtigkeitswerte Erkennung von Kältebrücken
Darr-Methode Laboranalyse von Materialproben Probenentnahme ja ±0,2% Bestätigung bei Werten über 90%

Ein Feuchtigkeitsmesser misst nicht „Wasser“ - er misst elektrische Eigenschaften des Materials. Kapazitive Geräte senden Hochfrequenzsignale in die Wand und messen, wie stark das Material diese absorbiert. Je feuchter, desto mehr Energie wird gebunden. Das Ergebnis wird als Indexwert (0-200) oder Prozentwert angezeigt. Aber Achtung: Ein Wert von 85 bei Fliesen ist nicht dasselbe wie bei Holz. Keramik hat von Natur aus einen höheren Grundwert. Ein Wert von 100 bei einem GANN-Gerät bedeutet etwa 15% Feuchtigkeit, bei einem Testo-Gerät sind es 25%. Kein Gerät ist gleich. Deshalb ist die Kalibrierung entscheidend.

So erkennen Sie Wasserschäden - ohne zu raten

Bevor Sie den Feuchtigkeitsmesser ansetzen, schauen Sie genau hin. Typische Anzeichen sind:

  • Ein kühler, feuchter Raum, obwohl die Heizung läuft
  • Ein erdiger, modriger Geruch - besonders in Bädern oder Kellern
  • Abblätternder Putz, Blasen in der Farbe oder gelbliche Verfärbungen
  • Verfärbte oder aufgewölbte Holzdielen oder Parkett
  • Schimmel an Ecken, hinter Möbeln oder unter Fensterbänken

Diese Hinweise sind der Startpunkt. Aber sie sagen nicht, wo das Wasser herkommt. Ist es ein undichtes Rohr? Ein fehlerhaft gedämmter Außenwandanschluss? Oder Kondenswasser durch schlechte Lüftung? Nur die Feuchtigkeitsmessung zeigt, ob es sich um eine lokale Feuchtigkeit oder eine breite, tiefgreifende Schadenszone handelt.

Die 5 Fehler, die fast jeder macht

Die meisten Laien messen falsch - und kommen zu falschen Schlüssen. Hier sind die häufigsten Fehler:

  1. Messen über Tapeten: Tapeten, Farbe oder Folien verfälschen das Ergebnis um bis zu 18%. Immer die Oberfläche abkratzen oder an einer Stelle ohne Belag messen.
  2. Nur eine Messung: Ein einzelner Wert sagt nichts. Messen Sie mindestens drei Stellen: Oberfläche, Mitte, Kern. Ein Wert von 70% an der Oberfläche, aber 40% in der Tiefe? Dann ist es nur Oberflächenfeuchtigkeit - kein struktureller Schaden.
  3. Keine Referenzmessung: Vergleichen Sie immer mit einer trockenen Stelle desselben Materials. Messen Sie in einem anderen Raum, der trocken ist. Nur so wissen Sie, was „normal“ für dieses Material ist.
  4. Unter 10 Sekunden messen: Geräte brauchen Zeit, um sich zu stabilisieren. Halten Sie die Sonde mindestens 10-15 Sekunden fest. Bosch-Modelle zeigen oft erst nach 12 Sekunden den stabilen Wert.
  5. Keine Dokumentation: Versicherungen verlangen Fotos mit sichtbarem Messwert. Ohne Nachweis gibt es keinen Schadensersatz. Machen Sie drei Fotos pro Messpunkt: Gesamtansicht, Detail mit Gerät, Messwert auf dem Display.
Schnittansicht einer Wand mit drei Messpunkten und unterschiedlichen Feuchtigkeitswerten.

Welches Gerät ist das richtige für Sie?

Ein Einsteigermodell wie der Bosch PMD 7 kostet knapp 50 Euro. Er ist einfach zu bedienen, zeigt Farbcodes an (grün = trocken, rot = kritisch) und reicht für einen ersten Check. Aber: Er hat eine Genauigkeit von ±3%. Das bedeutet: Bei einem Wert von 80 könnte die tatsächliche Feuchtigkeit zwischen 77% und 83% liegen. Bei einem professionellen Gerät wie dem Testo 606-2 liegt die Abweichung bei nur ±0,5%. Das macht den Unterschied zwischen „vielleicht Schimmel“ und „sicherer Schaden“.

Professionelle Geräte wie der Protimeter Surveymaster erkennen automatisch den Materialtyp - Beton, Ziegel, Holz - und passen die Skala an. Sie messen tiefer, sind kalibriert nach VDI 6032 und haben Temperaturkompensation. Das reduziert Fehler durch Kälte oder Wärme um bis zu 15%. Für eine Immobilienbesichtigung lohnt sich das. Für einen einmaligen Check im Bad? Vielleicht nicht.

Vermeiden Sie Geräte unter 30 Euro. Studien zeigen: 68% dieser Modelle liefern unbrauchbare Ergebnisse. Sie messen falsch - und führen zu falscher Sicherheit oder unnötiger Panik.

Was tun, wenn der Wert hoch ist?

Ein Wert über 90 ist kein Automatismus für Schimmel. Aber er ist ein Alarm. Laut DIN 4108-12:2021-07 muss ab 90% eine Laboranalyse mit der Darr-Methode folgen. Warum? Weil Feuchtigkeit nicht gleich Schaden ist. Ein Keller kann 85% Feuchtigkeit haben - und das ist normal, wenn er nicht beheizt wird. Aber wenn die Wand im Schlafzimmer 92% misst? Dann ist etwas kaputt.

Wenn Sie Werte über 85 haben, fragen Sie sich:

  • Wo genau liegt der Punkt? Ist es eine Ecke? Eine Wand neben der Dusche? Unter einem Fenster?
  • Wie verhält sich der Wert in der Tiefe? Ist die Feuchtigkeit nur an der Oberfläche oder geht sie durch die ganze Wand?
  • Gibt es andere Anzeichen? Risse? Feuchtigkeit an der Decke? Ein feuchter Boden?

Wenn Sie unsicher sind - rufen Sie einen Sachverständigen. Die Deutsche Schadenshilfe sagt: 89% der selbst durchgeführten Trocknungsmaßnahmen sind unvollständig. Sie trocknen die Oberfläche, aber der Schaden bleibt in der Wand. Und dann kommt der Schimmel.

Vergleich eines günstigen und eines professionellen Feuchtigkeitsmessers mit Messfotos.

Warum ist das so wichtig - und warum jetzt?

Wasserschäden sind der größte Versicherungsgrund in Deutschland. Jährlich entstehen Schäden von über 2,3 Milliarden Euro. 68% davon passieren in Bestandsimmobilien - und 78% werden nicht fachgerecht behoben. Das bedeutet: Viele Menschen zahlen für eine Sanierung, die nicht funktioniert. Oder sie bekommen keinen Schadensersatz, weil sie keine Messdaten haben.

Seit 2022 verlangen Versicherer wie die Allianz bei Schadenshöhen über 5.000 Euro eine professionelle Feuchtemessung als Voraussetzung für die Regulierung. Ohne Messprotokoll - kein Geld. Und wer eine Immobilie kauft, sollte vor dem Kauf messen. Ein versteckter Rohrbruch hinter der Wand kann 15.000 Euro kosten - und der Verkäufer weiß es vielleicht nicht einmal.

Die Technik hat sich verändert. Heute gibt es Geräte mit WLAN, die 3D-Feuchtigkeitskarten erstellen. Ab 2024 werden KI-Systeme die Schimmelwahrscheinlichkeit berechnen. Aber die Grundregel bleibt: Kein Gerät ersetzt Erfahrung. Ein guter Gutachter weiß, wo zu messen ist. Ein schlechter Gutachter misst nur, wo es leicht ist.

Was kommt als Nächstes?

Wenn Sie jetzt einen Feuchtigkeitsmesser gekauft haben: Machen Sie eine Probe-Messung. Nehmen Sie eine trockene Wand, messen Sie drei Stellen. Notieren Sie die Werte. Machen Sie Fotos. Dann suchen Sie eine Stelle, die feucht wirkt - und messen Sie dort. Vergleichen Sie. Lernen Sie, was „normal“ für Ihr Haus ist.

Und wenn Sie eine Immobilie besichtigen: Fragen Sie nach dem Feuchtigkeitsmessprotokoll. Wenn keines existiert - zögern Sie. Ein Haus ohne Messdaten ist wie ein Auto ohne TÜV. Sie wissen nicht, was drin steckt. Und das Risiko tragen Sie später.

Kommentare


Angela Spissu
Angela Spissu Dezember 5, 2025 at 12:06

Endlich mal jemand, der nicht nur von Schimmel redet, sondern wirklich weiß, wie man ihn findet. Ich hab letztes Jahr drei Wohnungen geprüft und jedes Mal war es die gleiche Geschichte: Leute messen oberflächlich, sehen ‘85’ und schreien nach Sanierung. Dabei war’s nur Kondenswasser von schlechtem Lüften. Der Artikel hat endlich mal die richtigen Fragen gestellt.

Lena S
Lena S Dezember 5, 2025 at 15:23

Ich hab den Bosch PMD7 gekauft nachdem ich diesen Artikel gelesen hab – und ich muss sagen: der unterscheidet echt zwischen trockenem Putz und nassen Wänden. Aber ich hab nen Tipp: immer vorher die Anleitung lesen. Ich hab 20 Minuten gebraucht, rauszufinden, dass man nicht auf Fliesen messen soll, weil die ‘normal’ bei 110 liegen. 😅

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